Es war einmal ein Bauerndorf. Wohnstallhäuser umringten die Kirche und einen kleinen See.
Das war Hohen Büssow. 1821 wurde dort, mit dem Ende der Leibeigenschaft, der See abgelassen und fast alle Häuser abgerissen. Nur die Schmiede an der alten Eiche durfte bleiben und die Kirche. Zeitgleich entsprang plötzlich und unerwartet eine Heilquelle. Die spannfähigen Bauern wurden umgesiedelt auf karges Land am anderen Ufer des Tollensetals.
Hohen Büssow bekam als neues Gut ein anderes Dorfbild.
Zum Sonnenaufgang entstanden Feldsteinscheunen aus den abgetragenen Großsteingräbern der Waldkante und eine kleine Dorfstraße gesäumt von den Häusern der Gutsarbeiter führte zum Abendhimmel über der alten Schmiede. Und mittendrinn, direkt am Friedhof stand das neue Badehaus. Die Kurgäste kamen unten vom Broocker Schloss im Tollensetal mit der Kutsche den Berg herauf zum Bad Hohen Büssow. Das war so erfolgreich, dass der Broocker Baron 1826 in Bad Hohen Büssow selbst noch ein Fremden- u. Gesellschaftshaus errichtet ließ. Von ca. 50 Gästen wird berichtet, die ganzjährig das Bad besuchten.
Später,1985, in der DDR, als vom Rat des Bezirkes die Abteilung Kultur in Hohenbüssow Künstler ansiedelte, war die Badegeschichte des Ortes lange vergessen.
Hohenbüssow stand auf dem Planierraupenfahrplan. Zwischendurch hatte die Flugpionierin Elly Beinhorn die Gegend besucht, bevor eins der größten Siedlungsvorhaben des Dritten Reiches auf den Broocker Gütern realisiert wurde. Doch im Rahmen von Blut und Boden durfte dort nicht jeder siedeln. Kurz vor dem dann verlorenen Krieg wurde die Prussiasammlung aus Ostpreußen im Broocker Schloss zwischengelagert und dieses nach einer multifunktionalen kommunalen Nachkriegsnutzung im Angesicht der ansässigen Bevölkerung, im realsozialistischen Überwachungsstaat nicht nur seiner Türen und Fenster beraubt. Auf dem ruinösem Gutshof lagen mitunter tote Rinder oder Schweine, an denen streunende Hunde nagten. Das war auch in Hohenbüssow so, bei 800 Großvieheinheiten sind ab und an Abgänge vor dem Schlachttermin nicht zu vermeiden gewesen. In den Ställen arbeiteten ältere Leute, die in Rente gehen konnten, nachdem die Wende auch die Tierproduktion abschaffte und damit leere Feldsteinhüllen hinterließ.
Und auch diese füllten sich, ebenso wie die immer mehr freiwerdenden Wohnhäuser, durch junge Menschen, die den Städten den Rücken gekehrt hatten. Diese brachten nicht nur ihre Bauwagen sondern auch so manche Kinder mit. Und Hausgeburten wurden auch im Tipi möglich. Die Gegend wurde attraktiver und bunter. Es tauchten bayrische Indianer mit einer Jurte auf, das so genannte Weiße Gutshaus wurde von Schweizer Immigranten besiedelt und die Geomantieschule axis mundi begann dass Dorf neu zu vermessen. Im Wirbel der sich entfaltenden Kraftlinien, verließen nicht nur die Schweizer und die Indianer das Dorf. Das trieb zwar die Immobilienpreise in die Höhe aber der Zuzug ließ sich nicht aufhalten. Die weitere Zellteilung der immer neuen Beziehungen ließ weitere Bewohner in der Gegend andocken. In den nächstliegenden Dörfern am Tollensetal verlief in etwa eine analoge Entwicklung. Und die größeren Gutshäuser wurden von etwas betuchteren neuen Besitzern ausgiebig saniert. Ferienwohnungen entstanden und werden im großen www angepriesen.
Nur noch das Schloss Broock ist eine beeindruckende Ruine.
Und letztendlich traf auch ein hollendischer Investor ein, der aber am Tollensetal Europas größte Ferkelfabrik auf den Weg bringen will. Dagegen positionierte sich die BI “Leben am Tollensetal“ und es formierte sich ein Unternehmerverband MiLaN (Mit Lust an Natur). Das beschäftigte folglich auch die zuständige Gemeindevertretung. Traditionell war man dort für die unhinterfragte Akzeptanz der Agrarindustrie. Doch der Ferkelinvestor hatte auf der anderen Seite der Autobahn, in Ermanglung eines Kadaverhauses, so einen großen Berg toter Schweine in der Sommersonne gelagert, dass ein Meinungswandel der Tollensetaler Gemeindevertreter unumgänglich wurde. Es entwickelt sich, nicht nur das Flugwesen.
Und so steht inzwischen das obligatorische Apfelbäumchen auch in Hohenbüssow.
Das im alten Gesellschaftshaus angesiedelte Künstlerpaar erwarb am Tage vor der Währungsunion das alte Badehausensemble. Sie beendeten den Kreisverkehr um den Friedhof und entwickeln das Potential eines poetischen Ortes. Und weil unter einer Lithografie von 1835 zu lesen ist: "Ansicht des neuen Bades und der Umgegend von Hohen Büssow" wurde der so benannte erweiterte Kunstbegriff vor Ort in die Tat umgesetzt. Das wurde honorierte durch den Verein Kultur-Landschaft e.V..
Die erstmalige Verleihung des Ludwig-Wegener- Preises ging nach Hohenbüssow. Parallel dazu wurde an anderer Stelle ein Schießplatzgegner geehrt. Der erhielt 2003 das Bäumchen der Hoffnung und die Hohenbüssower waren mit 2 Äpfeln zufrieden. Ein nachgereichte Baum steht inzwischen am Rande der Pseudostrasse zwischen dem Gesellschaftshaus und dem Badehaus.
Er trägt inzwischen selber Früchte und auch das Badehaus hatte im vergangenen Jahr seine ersten Gäste. Glücksbringende Schwalben brachten ihre Brut auf den Weg im gerade sanierten Gebäude. Der Tonnenschwere Ast der Weltenesche benötigte nur 2 brechende Dachziegel, um sich abzurollen und exakt vor dem Badehaus selber zu Bruch zu gehen. Schön, dass Künster so weit voraus denken können und das dann trotzdem alles immer noch etwas anders wird. Diesen Freiraum gilt es zu entfalten. Olaf Spillner
Langeweile ist ein Vergehen gegen die kreative Kraft
In einer Zeit des raschen Wandels geraten viele Menschen in eine persönliche Krise, sie finden keine Arbeit oder haben keinen Halt. Einige langweilen sich, sind unglücklich oder werden zornig, weil sie keinen Ausweg finden. Andere fühlen sich sehr verunsichert und haben große Angst. Viele Mensche suchen verzweifelt nach etwas, das ihrem Leben eine Richtung gibt. Aber in Krisenzeiten erkennen auch viele Menschen, dass andere als die materiellen Werte die Qualität des Lebens erhalten können. Sie erfahren, dass wir durch die harten Zeiten hindurchgehen, um zu lernen.
Von Künstlern kann man im allgemeinen lernen, wie man auch ohne wirtschaftliche Sicherheit, Verantwortung für sein Leben übernehmen kann. Für Künstler ist die Welt ein Testgelände. Künstler haben ausreichend Erfahrung mit unsicheren Einkommensverhältnissen und mit einer gebrochenen Biografie gesammelt. Sie können sich selbst motivieren, Ideen ohne garantierte Aussicht auf Erfolg weiterführen, aktiv in der Zeit stehen und der Zukunft eine Chance geben. Künstler sind erfinderisch, mit geringem finanziellen Aufwand erreichen sie eine beachtliche Wirksamkeit. Menschliche Faszination bieten ein identitätsstiftendes Aushängeschild für die Region, das weit hinausstrahlt. Die künstlerische Umnutzung von leerstehenden Gutshäusern, Höfen und Anlagen leistet für die Entwicklung der Region und der Kleinstädte Stadt Kyritz einen achtbaren Beitrag. Aus diesen Pojekten entstanden kreative Unternehmen mit unerschöpflichem Zukunftspotential.
In einer Zeit der Globalisierung bilden diese Unternehmungen einen wertvoller Beitrag für die Lebensfähigkeit der modernen Gesellschaft. Beseelt von einer Idee wurde mit großer Freude und Hingabe Mitarbeit und Bürgerschaftliches Engagement geweckt und die Kulturszene zu der heutigen Bedeutung geführt. Bei der Arbeit stieß die Akteure an ihre Grenzen und mussten doch lernen fortzuschreiten. Der Weg ist ungewiß,zunächst ohne Ziel, um vielleicht einen eigenen Weg zu finden. Richard von Gigantikow
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ulli schrieb:
Spieglein Spieglein an der Wand wer ist der größte Lügner im ganzen LAnd?
Ich hab mir mal gedacht, könntet Ihr nicht mal mit dem Uri Geller Kontakt aufnehmen? Wenn ich den im Fernsehen reden höre, dann denke ich immer: Glaubt er selbst alles was er sagt oder ist er sich bewusst, dass er den Leuten diesen oder jenen Bären (in Kyritzisch würde das heißen "dieses oder jenes Huhn") aufbindet? Uri Geller in Deutsch-Historischen Lügenmuseum Gantikow, ich stelle mir diese Schlagzeile vor.
Siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Uri_Geller
Zweitens bin ich auf einen Mann in Köln aufmerksam geworden:
'Rolf KeTaN Tepel
LebensKünstler, LandschaftsBewohner und LiebesBeauftragter
Ateliers WirkStadtWagen und WandelWagenWeg 13/99
Eifelwall 5
50674 Köln'
Mir hat imponiert, dass einer für lange Zeit durch die Gegend läuft und einen "Stein" des Anstoßes vor sich herrollt. Kennst Ihr vielleicht schon?
www.stein-des-anstosses.de
Drittens, habt Ihr Euch überlegt, eventuell die jüngste große Tat der Amerikaner, die ihr Pressewesen genarrt haben, mit in Euere Präsentation einzubeziehen?
So las ich bei
http://www.mediaculture-online.de/Details.305+M59f68aa7089.0.html
folgendes:
Freitag, 14. November 2008
«New York Times»-Fake erklärt Irak-Krieg für beendet
New York - Dichtung und Wahrheit: Eine gefälschte Ausgabe der «New York Times» hat das Ende des Irak-Kriegs und die Schließung des US-Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba gemeldet. Die richtige «New York Times» räumte in einer kleinen Notiz ein, dass die «Sonderausgabe» täuschend echt aussehe. Tausende Freiwillige hatten am Mittwoch massenhaft Exemplare des «Times»-Fakes in New York und anderen US-Großstädten verteilt. Dass etwas nicht stimmte, war zunächst lediglich am kleingedruckten Datum «4. Juli 2009» erkennbar. In dem Blatt wurde ferner verkündet, dass gegen den «früheren» US- Präsidenten George W. Bush Klage wegen Hochverrats erhoben worden sei.
*Condoleezza Rice entschuldigt sich für Lügen*
Als Herausgeber des 14-seitigen Blattes outete sich inzwischen die Aktivisten- und Aktionskünstlergruppe «The Yes Men». Sechs Monate lang hätten sie an der Fälschung gearbeitet und 1,2 Millionen Exemplare gedruckt. Unter anderem ist darin auch zu lesen, dass sich die «frühere» US-Außenministerin Condoleezza Rice für Lügen über die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak entschuldigt habe. Das Blatt berichtete weiterhin über die Verstaatlichung von Ölgesellschaften und eine Öl-Steuer zur Finanzierung von Umweltstudien.
«Ich denke, es ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Diskussion, was wir erreichen wollen», sagte «Yes Men»-Mitbegründer Igor Vamos der Zeitung «Albany Times Union». Der Assistenzprofessor am Rensselaer Polytechnic Institute in New York erzählte dem Blatt, er habe für die falsche «New York Times» einen Bericht über das weltweite Verbot von Massenvernichtungswaffen geschrieben. Einer der Urheber des Projekts, der sich selbst als «Wilfred Sassoon» ausgab, sprach von rund 30 beteiligten Autoren. Seinen Angaben zufolge lieferten auch einige Mitarbeiter der echten «New York Times» Artikel ab.
*«The Yes Men» bei der WTO*
Von der renommierten Tageszeitung gab es zunächst nur einen knappen Kommentar: «Das ist eindeutig eine gefälschte Ausgabe der "Times". Derzeit versuchen wir, mehr darüber herauszufinden», sagte Sprecherin Catherine J. Mathis. Wegen der hohen Druckkosten werde die Auflage von mehr als einer Million angezweifelt, hieß es.
Die «New York Daily News» wies darauf hin, dass die gefälschte «Times» den Vornamen von Außenministerin Rice falsch geschrieben habe. Sie zitierte mehrere Leser, darunter den Irak-Veteranen Sam Johnson (35), der die Schlagzeile zum Kriegsende empfand, «als habe mir jemand Schlamm ins Gesicht geschleudert».
Die «Yes Men»-Aktivisten schlossen sich Ende der 90er Jahre zusammen. Die Globalisierungskritiker gerieten vor allem durch eine gefälschte Internet-Seite der Welthandelsorganisation WTO in die Schlagzeilen. Als vermeintlich legitime WTO-Mitarbeiter wurden sie zu Konferenzen und Vorträgen eingeladen, bei denen sie satirisch Kritik übten. Ihre Aktionen wurden 2003 in dem Pseudo-Dokumentarfilm «The Yes Men» beleuchtet. (dpa)
Hochachtungsvoll
Ihr Ullrich Sachse
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Die Sibirier haben ein großes, goldenes Herz. Sie können singen, aber nicht Skat spielen.
Wer auf sich hält, hat Samt um die Fenster, gefaßt in silberne Bordüre. Der Gast bekommt rohen Fisch vorgesetzt und Wodka in Limonadengläsern. Falls er aus Europa kommt, so etwas nicht gewöhnt ist und angeschlagen auf dem Weg zum Klo in die Badewanne stürzt, holt der Sibirier ihn ohne Murren heraus, bringt ihn zu Bett. Am nächsten Tag gibt er ihm ein neues Hemd von sich, auch wenn's sein letztes ist. In diesem Fall ist es aber ein prachtvolles Hemd, denn der Sibirier ist Vorsitzender eines Schriftstellerverbandes und hat viele Hemden.
Um Vorsitzender eines sibirischen Schriftstellerverbandes zu werden, darf man keine Kurzgeschichten schreiben. Man muß zwei Meter groß sein, drei Zentner wiegen und einen vierbändigen Kosakenroman verfaßt haben.
Wenn die Sibirier trinken, bringen sie Trinksprüche aus. Zur Größe Sibiriens. Zur Lage der Welt. Des Menschengeschlechts überhaupt. Und nochmal zur Größe Sibiriens. Dann rufen sie: Auf unseren Kollegen aus dem fernen Deutschland, hundertundzwanzig Jahre Gesundheit! Und alle trinken in einem Zug.
Auf dem Tisch steht eine Kanne Wasser. Der erste Sibirier setzt an und trinkt daraus. Dann trinkt einer nach dem anderen auch daraus, denn in den Gläsern ist wieder Wodka. Der kleine Jude am Ende der Tafel, dem der Gast Joseph Roths "Hiob" mitgebracht hat, holt einen hellblauen Zahnputzbecher hervor und trinkt als letzter.
Während die Papyrossi aufglühen, erhebt sich schwankend der Gast, der den Spruch erwidern muß: „Auf den Vorsitzenden“, ruft er tapfer, „auf Sie alle, meine Freunde! Auf Sibirien!"
"Auf Sibirien!" donnert die Runde.
Dann singen alle ein Lied.
Weil der Gast in Sibirien bestimmen darf, was gemacht wird, wünscht er sich einen Ausflug in die klare Luft der Taiga. Der Vorsitzende nickt, und alle murmeln beifällig. Der Wunsch geht als Trinkspruch durch.
"Auf Mütterchen Taiga!" ruft einer.
"Po jechali!" antworten alle.
Am Morgen wartet der Vorsitzende mit Nikolai Nikolajewitsch, der den Wolga fährt, prompt vor der Toilette, in die der Gast sich eingeschlossen hat. Er hat Typhus oder Ruhr oder beides zusammen und schreibt an seine Mutter.
Der Vorsitzende und Nikolai Nikolajewitsch genehmigen sich inzwischen ein Gläschen.
Auch der Gast muß, als er öffnet, auf seine eigene Gesundheit trinken. Dazu bekommt er Salz in den Wodka: Volksmedizin.
Im Auto riecht es nach Benzin, Knoblauch und Machorka. Es ist heiß. Die Sandpiste führt ins Innerste der Taiga. Kein Dorf, keine Hütte, kein Mensch. Vor dem Wolga, in einer Rauchsäule, knattert das Motorrad mit dem Pelztierjäger, den der Vorsitzende dazugeholt hat. Der Waldmensch fährt schnell. Gegen Abend ist er entschwunden.
Da gabelt sich die Piste.
Auf einem Baumstumpf sitzt ein Männlein. Es könnte Lehrer gewesen sein, an einem Konservatorium, als sein Anzug neu war. Es grüßt, weiß aber nicht, ob das Motorrad nach links oder rechts gefahren ist.
Nikolai Nikolajewitsch kommt in sich gekehrt zum Auto zurück. Er fährt rechts ab, und das ist gut.
Mit einem Boot bringt der Jäger die Gesellschaft einen Fluß hinab und ans andere Ufer. Dann wird gewandert, bis dem erschöpften Gast die Tränen kommen. An einer Schwefelquelle muß er trinken: Volksmedizin... Das Wasser stinkt wie tausend faule Eier. Er schöpft Hoffnung, trinkt mit zugehaltener Nase. Schafft es gerade noch, die Hose runter zu kriegen.
Er sucht nach einem Stück Papier, findet schließlich in der Westentasche, wo auf Reisen sonst ein silberner Flachmann als Glücksbringer steckte, Mamas Brief wieder, der im Koffer auf der Wäsche gelegen hatte. „Lieber Junge, sei mir nicht böse, aber ich habe Dir die Flasche aus dem Gepäck genommen. Du weißt ja, daß ich mir immer Sorgen um Deine Gesundheit mache. Du wirst den Schnaps sicher nicht brauchen und sooo viel Schönes erleben..."
Die Jagdhütte steht an einem Bächlein. Das Bächlein fließt in einem weiten Tal im Innersten der Taiga. Ein weiterer Jäger und seine Frau, beide vom Waldvolk der Burjaten, stoßen auf den Gast an: Hundertundzwanzig Jahre...
Das Feuer wird entfacht. Nikolai Nikolajewitsch mit seinen rot glänzenden Fingern holt Speck aus der Westentasche, schneidet Scheiben ab, reicht sie dem Gast: "Du essen, gutt!" Er zeigt auf den Verdauungstrakt. Die Scheiben sind glasig von der Körperwärme, paniert mit allen Fusseln russischer Jackettaschen. Sie passieren die Eingeweide des stillen Gastes wie chinesische Blitzknatterbälle. Es gibt Wodka mit Salz.
Danach wird es ruhig um den Gast, und die Sibirier beginnen zu singen. Sie singen von der Einsamkeit des Taigajägers, der Größe Sibiriens. Der Gast schläft jetzt tief. Die Gastgeber lassen die Flasche kreisen: Ein Lied, ein Schluck, ein Lied, ein Schluck...
Dann munitionieren sie ihre Flinten auf und beginnen nach den leeren Flaschen zu schießen. Der Gast fährt hoch, springt unglücklich und bricht sich den kleinen Finger.
Der zweite Jäger geht mit der Frau in die Hütte. Die Hütte ist zwei mal zwei Meter groß und damit belegt.
Der Vorsitzende, Nikolai Nikolajewitsch und der erste Jäger kippen, wie sie sind, der Reihe nach am Feuer um und rollen sich ein. Übrig bleibt der Gast, der seinen Finger mit einem Bleistift schient.
Später läßt der Vorsitzende einen fahren, wacht auf von dem Knall und gibt dem Jäger einen Tritt. Der Jäger rappelt sich hoch und bringt ein Bärenfell, das der Vorsitzende dem Gast überreicht, damit der sich darauf legen kann. Der Gast gehorcht, streckt sich darauf nieder. Der Geruch der Fleischreste von der Unterseite erinnert an eine Abdeckerei. Der erste Jäger rückt von hinten an ihn heran, der Vorsitzende von vorn. Der Gast hat es warm so und kann nicht fortrollen.
Später müßte er mal. Der Angstschweiß bricht ihm aus. Er liegt eingequetscht in einem überheizten Raubtierhaus. Bekommt Herzrhythmusstörungen, beginnt zu beten, wünscht sich, ein Tiger möge kommen. Ein verschnupfter Tiger, der das Lager sehen, aber nicht riechen kann.
Endlich rutschen die Sibirier ein Stück zur Seite. Der Gast kann sich befreien, kommt aber nicht mehr weit. Am Morgen wird der zweite Jäger eben dort ausgleiten und sich den Arm auskugeln. Er wird fluchen, was das Zeug hält, aber nicht etwa dabei unseren Gast ansehen. Denn wenn Sibiriern etwas heilig ist, dann ihr Gast. Er bekommt Wodka mit Salz.
Nachdem der erste Jäger dem zweiten Jäger den Arm eingekugelt hat, gehen beide in den Wald. Der Vorsitzende wäscht sich am Bach sein Gesicht. Die Frau aus der Hütte kocht über dem Feuer Kaffee. Es ist ein kühler diesiger Tag. Dann beginnt es zu nieseln. Der Gast hockt auf der nassen Erde, friert und hat Hunger.
"Nu, Sie wollten!" sagt der Vorsitzende, unterdrückt Zufriedenheit: „Taiga..., Barbaren..., Sie wollten!" Sein Arm beschreibt eine Runde über der Taiga.
Reuig stimmt der Gast zu. „Malenki Turbini!" sagt er kleinlaut, läßt eine Hand übern Bauch kreisen.
"Sie bald gesund", lenkt der Vorsitzende ein. „Sie wärden sähen..."
Nachmittags kommen die Jäger zurück. Sie bringen einen Vogel an, wie ihn der Gast noch nicht gesehen hat. Halb Geier, halb Haushuhn. Im Kessel überm Feuer kocht er bis abends um zehn.
Am nächsten Tag gibt's Omul. Die Jäger kommen mit Reusen und kippen die Fische hin. Die Fische springen wild durcheinander! Jeder versucht einen zu greifen. Hat er ihn, treibt er den Spieß durch und hält ihn übers Feuer.
Der Gast, der ein Tierfreund ist, fragt nach Wodka. - Auch er hat Hunger. Soll er oder soll er nicht?
Die Sibirier beobachten ihn, beratschlagen, was mit dem merkwürdigen Gast zu tun sei.
Dann gibt es Wodka mit Salz.
Die nächsten Tage geht es durch die Taiga. Der zweite Jäger nimmt sich des Gastes an, versucht ihn zu ermuntern und erklärt die Natur. Er zeigt Fährten, schnitzt in Nullkommanichts eine Flöte, mit der er das Brunftfiepen der Altaimarale imitiert. Kocht aus den frischen Kräutern von zwei Quatratmetern Waldboden einen Kessel Tee, gräbt dünne Wurzeln aus, zieht sie durch die Zahnlücke, macht Bindfäden aus ihnen.
Der Gast staunt.
Er bekommt Beeren gezeigt, die er noch nie gesehen hat und die man essen kann, Blätter, Knollen, junge Triebe. Die Steinpilzkappen haben die Größe von Abortdeckeln. Der Gast freut sich und gerät ganz aus dem Häuschen. Er ist in einem seiner russischen Märchenfilme, würde sich über eine Baba Jaga, die sie in Esel und Schweine verwandelte, nicht wundern.
Aber er hat Cholera oder Ruhr. Oder beides. Er schaut drein, daß die Sibirier es mit der Angst bekommen. Seine letzte Notration Hakle-feucht ist aufgebraucht, und er versucht es mit großen Blättern. Erwischt prompt den gefürchteten Riesenbärenklau und läuft sich einen Wolf. Die Sibirier beraten, wie sie ihm noch helfen können.
Am Ende geben sie Wodka mit Salz.
Wenn der Gast noch einen Bleistift halten könnte, schriebe er jetzt seiner Mama ein Postskriptum. Über die Weite der Landschaft, die Tiefe des Walddunkels, die hüfthohen Blaubeerkolonien, die zitronengelbe Bläue der Nacht...
Er sitzt und möchte Wodka mit Salz. Der Vorsitzende beginnt zu verzweifeln, rauft sich den Bart und tritt dem zweiten Jäger in den Hintern. Der springt auf, gestikuliert wie verrückt und rennt einmal ums Feuer. Plötzlich fällt ihm ein, daß sein Großvater Schamane war. Die Sonne steht schon flach über den Birken, deren Laub sich färbt. Er hat eine Erleuchtung. Zieht den Gast am Ärmel hinter sich her in den Wald. Es geht über Stock und Stein, den nächsten Berg und durchs nächste Tal. Ab und zu hält er inne, geht um Bäume herum, an denen der Gast nichts finden kann. Bleibt schließlich unter einem stehen und zieht das Messer. Er erklärt etwas, was mit der Baumart und der Himmelsrichtung zu tun haben muß. Zieht die Rinde ab, schneidet Lappen aus der Bastschicht, die der arglose Gast essen soll. Dem ist schon alles recht. Gehorsam kaut er hinter, verspeist vom Tannenbaum, so viel er kann.
Später wird er von der geballten Gerbsäureladung einen Rachen voller Bläschen bekommen und für viele Tage keinen Stuhlgang mehr haben. Er wird an Darmverschluß glauben und in Berlin rohes Sauerkraut mit eiskalter Brauselimonade einnehmen. Er wird eimerweise türkischen Kaffee trinken und filterlose Camel inhalieren, Kniebeuge machen, sich auf den Rücken werfen, mit Rizinusöl Rollkuren veranstalten. Er wird von Nikolai Nikolajewitschs Speckscheiben träumen.
Vorerst aber ist er gerettet und vor Erleichterung ganz von der Rolle, möchte die wundersame Taiga niemals verlassen. Ihre blauenden Dickichte nicht und nicht ihre dunstverhangenen, mit roten Beeren kandierten Lichtungen. Er muß dem Vorsitzenden in die Arme fallen, dem ersten und dem zweiten Jäger, Nikolai Nikolajewitsch und der Frau aus der Hütte. Am liebsten würde er auch das versprengte Männlein umarmen, die ganze verrückte Welt!
Der Vorsitzende lacht und haut sich auf die Schenkel. „Du ächt russischer Mann! Wir verstähen uns! Von Härz zu Härz!" Er schlägt dem Gast auf die Schulter, daß dem die Mütze vom Kopf runterfällt. Dann trinken alle in einem Zug... /(1992) Rainer Klis mit freundlicher Genehmigung /_Rainer-Klis@t-online.de
<mailto:rainer-klis@t-online.de>
Hohenbüssow, Aufbruch zu neuen Ufern (ein Tatsachenbericht des vereinzelt e.V.)
Es war einmal ein Bauerndorf. Wohnstallhäuser umringten die Kirche und einen kleinen See.
Das war Hohen Büssow. 1821 wurde dort, mit dem Ende der Leibeigenschaft, der See abgelassen und fast alle Häuser abgerissen. Nur die Schmiede an der alten Eiche durfte bleiben und die Kirche. Zeitgleich entsprang plötzlich und unerwartet eine Heilquelle. Die spannfähigen Bauern wurden umgesiedelt auf karges Land am anderen Ufer des Tollensetals.
Hohen Büssow bekam als neues Gut ein anderes Dorfbild.
Zum Sonnenaufgang entstanden Feldsteinscheunen aus den abgetragenen Großsteingräbern der Waldkante und eine kleine Dorfstraße gesäumt von den Häusern der Gutsarbeiter führte zum Abendhimmel über der alten Schmiede. Und mittendrinn, direkt am Friedhof stand das neue Badehaus. Die Kurgäste kamen unten vom Broocker Schloss im Tollensetal mit der Kutsche den Berg herauf zum Bad Hohen Büssow. Das war so erfolgreich, dass der Broocker Baron 1826 in Bad Hohen Büssow selbst noch ein Fremden- u. Gesellschaftshaus errichtet ließ. Von ca. 50 Gästen wird berichtet, die ganzjährig das Bad besuchten.
Später,1985, in der DDR, als vom Rat des Bezirkes die Abteilung Kultur in Hohenbüssow Künstler ansiedelte, war die Badegeschichte des Ortes lange vergessen.
Hohenbüssow stand auf dem Planierraupenfahrplan. Zwischendurch hatte die Flugpionierin Elly Beinhorn die Gegend besucht, bevor eins der größten Siedlungsvorhaben des Dritten Reiches auf den Broocker Gütern realisiert wurde. Doch im Rahmen von Blut und Boden durfte dort nicht jeder siedeln. Kurz vor dem dann verlorenen Krieg wurde die Prussiasammlung aus Ostpreußen im Broocker Schloss zwischengelagert und dieses nach einer multifunktionalen kommunalen Nachkriegsnutzung im Angesicht der ansässigen Bevölkerung, im realsozialistischen Überwachungsstaat nicht nur seiner Türen und Fenster beraubt. Auf dem ruinösem Gutshof lagen mitunter tote Rinder oder Schweine, an denen streunende Hunde nagten. Das war auch in Hohenbüssow so, bei 800 Großvieheinheiten sind ab und an Abgänge vor dem Schlachttermin nicht zu vermeiden gewesen. In den Ställen arbeiteten ältere Leute, die in Rente gehen konnten, nachdem die Wende auch die Tierproduktion abschaffte und damit leere Feldsteinhüllen hinterließ.
Und auch diese füllten sich, ebenso wie die immer mehr freiwerdenden Wohnhäuser, durch junge Menschen, die den Städten den Rücken gekehrt hatten. Diese brachten nicht nur ihre Bauwagen sondern auch so manche Kinder mit. Und Hausgeburten wurden auch im Tipi möglich. Die Gegend wurde attraktiver und bunter. Es tauchten bayrische Indianer mit einer Jurte auf, das so genannte Weiße Gutshaus wurde von Schweizer Immigranten besiedelt und die Geomantieschule axis mundi begann dass Dorf neu zu vermessen. Im Wirbel der sich entfaltenden Kraftlinien, verließen nicht nur die Schweizer und die Indianer das Dorf. Das trieb zwar die Immobilienpreise in die Höhe aber der Zuzug ließ sich nicht aufhalten. Die weitere Zellteilung der immer neuen Beziehungen ließ weitere Bewohner in der Gegend andocken. In den nächstliegenden Dörfern am Tollensetal verlief in etwa eine analoge Entwicklung. Und die größeren Gutshäuser wurden von etwas betuchteren neuen Besitzern ausgiebig saniert. Ferienwohnungen entstanden und werden im großen www angepriesen.
Nur noch das Schloss Broock ist eine beeindruckende Ruine.
Und letztendlich traf auch ein hollendischer Investor ein, der aber am Tollensetal Europas größte Ferkelfabrik auf den Weg bringen will. Dagegen positionierte sich die BI “Leben am Tollensetal“ und es formierte sich ein Unternehmerverband MiLaN (Mit Lust an Natur). Das beschäftigte folglich auch die zuständige Gemeindevertretung. Traditionell war man dort für die unhinterfragte Akzeptanz der Agrarindustrie. Doch der Ferkelinvestor hatte auf der anderen Seite der Autobahn, in Ermanglung eines Kadaverhauses, so einen großen Berg toter Schweine in der Sommersonne gelagert, dass ein Meinungswandel der Tollensetaler Gemeindevertreter unumgänglich wurde. Es entwickelt sich, nicht nur das Flugwesen.
Und so steht inzwischen das obligatorische Apfelbäumchen auch in Hohenbüssow.
Das im alten Gesellschaftshaus angesiedelte Künstlerpaar erwarb am Tage vor der Währungsunion das alte Badehausensemble. Sie beendeten den Kreisverkehr um den Friedhof und entwickeln das Potential eines poetischen Ortes. Und weil unter einer Lithografie von 1835 zu lesen ist: "Ansicht des neuen Bades und der Umgegend von Hohen Büssow" wurde der so benannte erweiterte Kunstbegriff vor Ort in die Tat umgesetzt. Das wurde honorierte durch den Verein Kultur-Landschaft e.V..
Die erstmalige Verleihung des Ludwig-Wegener- Preises ging nach Hohenbüssow. Parallel dazu wurde an anderer Stelle ein Schießplatzgegner geehrt. Der erhielt 2003 das Bäumchen der Hoffnung und die Hohenbüssower waren mit 2 Äpfeln zufrieden. Ein nachgereichte Baum steht inzwischen am Rande der Pseudostrasse zwischen dem Gesellschaftshaus und dem Badehaus.
Er trägt inzwischen selber Früchte und auch das Badehaus hatte im vergangenen Jahr seine ersten Gäste. Glücksbringende Schwalben brachten ihre Brut auf den Weg im gerade sanierten Gebäude. Der Tonnenschwere Ast der Weltenesche benötigte nur 2 brechende Dachziegel, um sich abzurollen und exakt vor dem Badehaus selber zu Bruch zu gehen. Schön, dass Künster so weit voraus denken können und das dann trotzdem alles immer noch etwas anders wird. Diesen Freiraum gilt es zu entfalten. Olaf Spillner
Langeweile ist ein Vergehen gegen die kreative Kraft
In einer Zeit des raschen Wandels geraten viele Menschen in eine persönliche Krise, sie finden keine Arbeit oder haben keinen Halt. Einige langweilen sich, sind unglücklich oder werden zornig, weil sie keinen Ausweg finden. Andere fühlen sich sehr verunsichert und haben große Angst. Viele Mensche suchen verzweifelt nach etwas, das ihrem Leben eine Richtung gibt. Aber in Krisenzeiten erkennen auch viele Menschen, dass andere als die materiellen Werte die Qualität des Lebens erhalten können. Sie erfahren, dass wir durch die harten Zeiten hindurchgehen, um zu lernen.
Von Künstlern kann man im allgemeinen lernen, wie man auch ohne wirtschaftliche Sicherheit, Verantwortung für sein Leben übernehmen kann. Für Künstler ist die Welt ein Testgelände. Künstler haben ausreichend Erfahrung mit unsicheren Einkommensverhältnissen und mit einer gebrochenen Biografie gesammelt. Sie können sich selbst motivieren, Ideen ohne garantierte Aussicht auf Erfolg weiterführen, aktiv in der Zeit stehen und der Zukunft eine Chance geben. Künstler sind erfinderisch, mit geringem finanziellen Aufwand erreichen sie eine beachtliche Wirksamkeit. Menschliche Faszination bieten ein identitätsstiftendes Aushängeschild für die Region, das weit hinausstrahlt. Die künstlerische Umnutzung von leerstehenden Gutshäusern, Höfen und Anlagen leistet für die Entwicklung der Region und der Kleinstädte Stadt Kyritz einen achtbaren Beitrag. Aus diesen Pojekten entstanden kreative Unternehmen mit unerschöpflichem Zukunftspotential.
In einer Zeit der Globalisierung bilden diese Unternehmungen einen wertvoller Beitrag für die Lebensfähigkeit der modernen Gesellschaft. Beseelt von einer Idee wurde mit großer Freude und Hingabe Mitarbeit und Bürgerschaftliches Engagement geweckt und die Kulturszene zu der heutigen Bedeutung geführt. Bei der Arbeit stieß die Akteure an ihre Grenzen und mussten doch lernen fortzuschreiten. Der Weg ist ungewiß,zunächst ohne Ziel, um vielleicht einen eigenen Weg zu finden. Richard von Gigantikow
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